Trauerphasen eBook Dieses schöne Gefühl, wenn Du mit Deinen Liebsten aus tiefstem Herzen lachst:

Das bedeutet, dass Du es gut gemacht hast!

Dieses E-Book liefert Dir einen Gesamtüberblick zu den neuesten Erkenntnissen aus der Trauerforschung, die einige Mythen entlarven und ein neues Verständnis von Trauer anbieten.

✓ Intensive und neue Impulse
✓ Sofort per Download lieferbar (PDF-Format)
✓ 30 Tage Geld-zurück-Garantie
✓ Nur für kurze Zeit zum Sonderpreis


Trauerphasen – Mythos oder Wirklichkeit?

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, fallen viele Menschen erst einmal in einen Schockzustand, in dem sie gar nichts fühlen. Sie können nicht weinen, es ist kein Schmerz da, in ihrem Inneren herrscht Leere. Auch versucht das Gehirn, die schreckliche Nachricht zu ignorieren, es darf einfach nicht wahr sein! Diese erste Phase kann unterschiedlich lange anhalten, von einigen Minuten bis zu einigen Tagen.

Aber irgendwann setzt der Schmerz über den Verlust mit ungehemmter Wucht ein und bereitet vielen Menschen nicht nur seelische, sondern auch körperliche Schmerzen. Man kann nicht essen, nicht schlafen, nicht denken, das ganze Wesen wird von dem unaus- sprechlichen Verlust beherrscht. Wie soll das Leben ohne den geliebten Menschen weiter gehen? Undenkbar, unvorstellbar, das „Nie wieder“ drängt sich bei allem in den Vordergrund.

Und doch gibt es auch Momente der Freude, des Lachens, der Erleichterung und der Befreiung, das Leben hat immer noch – oder wieder – einen Sinn. Mit diesen Widersprüchen muss man umgehen können, und die bisherigen Modelle der Trauerphasen bieten da keine direkte Unterstützung. Im Gegenteil, zeigt ein Mensch keine intensive Trauer und lacht er gar einmal kurz nach einem Todesfall aus vollem Herzen, so geht man üblicherweise davon aus, dass dies bedenkliche Verhaltensweisen seien, die behandelt werden sollten.

Es ist hilfreich, sich die bisherigen Mythen und Überzeugungen zum Thema Trauer einmal anzusehen und dann kritisch zu hinterfragen, ob sie einer empirischen Überprüfung stand halten. Und sich dann mit den neuesten Erkenntnissen aus der Trauerforschung vertraut zu machen, die einige dieser Mythen entlarven und ein neues Verständnis von Trauer anbieten.

In diesem E-Book beschäftigt sich Oliver Schmid ausführlich mit den neuesten Erkenntnissen aus der Trauerforschung, die einige Mythen entlarven und ein neues Verständnis von Trauer anbieten.



► Jetzt für nur 9,99 Euro kaufen














Mit dem Schock nach der Todesnachricht beginnt der Prozess der Trauerarbeit oder der Trauerphasen, die ein Mensch angeblich durchlaufen muss, wenn ihm das Schicksal einen geliebten Menschen geraubt hat. In der Psychologie spricht man von Trauerarbeit, die aktiv bewältigt werden muss, und versucht, den Prozess der Trauerbewältigung in verschiedene Phasen aufzuteilen. Den Begriff der Trauerarbeit brachte zuerst Sigmund Freud auf, der der Meinung war, dass man nur durch sukzessives Loslassen der Erinnerungen an den Toten und der Sehnsüchte nach ihm die Trauer bewältigen konnte. Seiner Auffassung nach müsse man sämtliche emotionalen Bindungen zu dem verstorbenen Menschen lösen, ehe man die Trauer endgültig bewältigt hat. Allerdings hat er dieses Konzept nur in einem Essay kurz angerissen und ist nie wieder vertiefend darauf eingegangen.

Das Modell der Trauerphasen, die ein Mensch durchlaufen sollte, begann mit dem Werk von Elisabeth Kübler Ross „Interviews mit Sterbenden“ aus dem Jahr 1969, die in ihrer Arbeit Frauen und Männer begleitet hat, die ihrem eigenen nahen Tod ins Auge sehen mussten. Sie stellte dabei fünf verschiedene Phasen fest, die man dann auch als Ausgangspunkt für die Phasen der Trauer bei Menschen genommen hat, die einen großen Verlust erlitten haben. Daraus hat dann später Verena Kast im Jahr 1982 ein vierphasiges Modell entwickelt, welches gemäß ihrer Hypothese die Phasen der Trauer darstellt, die ein Mensch durchlaufen muss, um die Trauer und den Verlust zu bewältigen.

Verena Kast hat in ihrem Modell die Phasen von Elisabeth Kübler-Ross mit Erkenntnissen von John Bowlby, Colin Murray-Parks und der analytischen Psychologie zu einem vierphasigen Modell der Trauerphasen verschmolzen.

Erste Phase: Leugnen, Nicht-wahr-haben-wollen

In der ersten Phase, wenn man die Nachricht vom Tod eines geliebten Menschen vernimmt, verfallen die Menschen oft in einen Schockzustand, indem der Tod entweder aktiv geleugnet wird - „Das muss ein Irrtum sein!“ – oder zumindest keine Empfindungen über den Tod wahr genommen werden. Oft ist es für die Angehörigen notwendig, dass sie mit eigenen Augen den Toten sehen, um aus der Phase des Leugnens fort zu schreiten, diese Phase kann sonst je nach Lage (der Tote ist zum Beispiel unkenntlich und kann vielleicht nur durch wissenschaftliche Methoden eindeutig identifiziert werden, da kann ein Irrtum leicht unterstellt werden) längere Zeit anhalten. Normalerweise ist allerdings die Phase des Leugnens sehr kurz, sie dauert einige Stunden, maximal ein paar Tage. Viele Menschen stellen dabei auch körperliche Reaktionen an sich fest wie Herzrasen, Schlaflosigkeit, körperliche Unruhe, Unwohlsein und Schwitzen.

Zweite Phase: Intensive aufbrechende Emotionen

In dieser Phase treten verschiedene Emotionen meistens mit großer Intensität auf. Darunter sind natürlich Trauer, Verlustschmerz, Einsamkeit, Angst, Zorn und Wut, aber auch Freude und Erleichterung (wenn der Verstorbene zum Beispiel nach langem Leiden verschieden ist) kommen auf, die jedoch oft noch mit Schuldgefühlen und einem schlechten Gewissen verbunden sind.

Gerade Gefühle wie Schuld und ein schlechtes Gewissen können dabei sehr belastend sein und den Trauernden in dieser Phase fest halten, wenn er der Meinung ist, er habe zu Lebzeiten dem Hingeschiedenen gegenüber etwas versäumt, nicht genug für ihn getan, trage womöglich selbst die Schuld am Tod des geliebten Menschen (wenn man zum Beispiel einen Unfall verursacht hat, bei dem der andere gestorben ist) oder habe ihn nicht genug geliebt oder gewürdigt. Diese Schuldgefühle können sich zu einem ernsthaften Problem entwickeln, so dass daraus eine Depression bis hin zu Suizidgedanken entstehen kann.

Die Wut und die Aggression, die in dieser Phase entstehen, können sich gegen Dritte richten (Ärzte oder Pflegepersonal, einen Unfallverursacher etc.), bei gläubigen Menschen gegen Gott – „Gott, wie konntest du zulassen, dass mein unschuldiges Kind stirbt!“ -, gegen sich selbst – „Warum habe ich nicht besser aufgepasst!“ – oder gegen den Toten, besonders wenn dieser durch Suizid verstorben ist – „Wie konntest du mir das antun und mich verlassen!

Diese Gefühle werden im Allgemeinen eher als heilsam angesehen, da Wut, Zorn und Aggression verhindern, dass man zu tief in einer Depression versinkt. Gemäß dem Modell der Trauerphasen sollte der Trauernde diese unterschiedlichen Gefühle zulassen und ausleben, damit er nicht in dieser Phase der Trauer stecken bleibt.

Dritte Phase: Suchen, Finden, Loslassen

In dieser Phase versucht der Trauernde bewusst noch einmal, seine Verbindung zu dem Verstorbenen zu spüren und diese intensiv zu erleben. Es werden bedeutungsvolle Orte besucht, Erinnerungsstücke angesehen, der alte Pullover des Verblichenen getragen, oder man sitzt in seinem oder ihrem Zimmer und lässt die Erinnerungen auf sich wirken.

Idealerweise bearbeitet man in dieser Phase im inneren Dialog auch noch ungelöste Themen und Probleme, die man mit dem Verstorbenen hatte, damit diese nicht als Hindernis beim Fortschreiten im Trauerprozess bestehen bleiben. Auch hier können wieder Gefühle wie Wut und Aggression auftreten, die bei der Bewältigung helfen können.

Am Ende dieser Phase hat man sich im Idealfall mit dem Verstorbenen und seinem Verlust ausgesöhnt, dieser ist vielleicht zu einem inneren Begleiter geworden, zu dem keine Spannungen mehr bestehen. Die Verbindung zu dem Toten hat sich verändert, die Wirklichkeit wird ohne ihn jetzt bewusst wahr genommen.

Manche Menschen neigen gemäß dem Modell in dieser Phase dazu, sich in die Erinnerungen mit dem Verstorbenen zurück zu ziehen und eine Art Traumleben mit ihm zu führen. Das Zimmer bleibt unverändert, der Tisch wird für ihn oder sie mit gedeckt, unterm Weihnachtsbaum liegt ein Geschenk für den Verschiedenen, und man führt Gespräche mit ihm. Hält diese Phase zu lange an, so kann sich der trauernde Mensch dadurch von der Wirklichkeit und dem Leben entfremden und bleibt in dieser Phase gefangen.

Vierte Phase: Akzeptanz und Neuanfang

Der trauernde Mensch hat den Verlust des Verblichenen als Realität akzeptiert, er ist zu einer inneren Figur geworden, die im realen Leben nicht mehr vorhanden ist. Nun kann die nächste Phase in Angriff genommen werden, in der der eigene Bezug zum Leben, zur Welt und zu anderen Menschen aktiv gestaltet und erlebt wird. Hier tun sich auch neue Möglichkeiten auf, die mit dem Verstorbenen gemeinsam nicht möglich gewesen wären, so dass ein Lerneffekt auch der ist, dass selbst der Verlust eines geliebten Menschen auf der anderen Seite etwas Gutes und Neues bewirken kann.

Auch die Erfahrung, dass man einen solch schweren Verlust bewältigen konnte, ist ein wichtiger Schritt für das Fortschreiten im Leben. Der Trauernde hat erkannt, dass Verlust zum Leben dazu gehört, dass man mit ihm fertig werden kann und dass man sich deshalb auch ruhig erneut auf eine neue Beziehung einlassen kann, selbst wenn auch diese wieder durch den Tod beendet wird.

Der Theologe Yorick Spiegel hat mit seiner Habilitationsschrift „ Der Prozeß des Trauerns. Analyse und Beratung“ aus dem Jahr 1972 ein ebenfalls vierphasiges Modell vorgelegt, welches die Schwerpunkte jedoch ein wenig anders setzt als Verena Kast. Er orientiert sich mehr an den Gefühlen und dem Umgang damit und beobachtet dabei unterschiedliche Verhaltensweisen, die für die Phasen charakteristisch sind.

Die Schockphase

Diese Phase setzt unmittelbar nach dem Erhalt der Todesnachricht ein und lässt die Menschen in einen Zustand der Lähmung verfallen. Wie groß der Schock ist und wie lange diese Phase dauert (einige Stunden oder wenige Tage), hängt unter anderem davon ab, ob der Tod erwartet wurde  - aufgrund einer Krankheit oder hohen Alters -, oder ob er völlig unerwartet eingetreten ist – Unfall, Suizid oder ähnliches.

Die Reaktionen während dieses Schocks können sehr unterschiedlich sein. Manche Menschen nehmen ihre Umwelt gar nicht mehr wahr und sind kaum ansprechbar, andere brechen völlig zusammen, wieder andere widmen sich Routinetätigkeiten, als wäre nichts geschehen. In dieser Phase werden die Betroffenen meistens von Angehörigen und Freunden unterstützt, die ihnen auch dabei helfen, ihre Emotionen zu kontrollieren – was den Übergang zur nächsten Phase einleitet.

Die kontrollierte Phase

Gerade in den ersten Tagen nach einem Todesfall muss der Mensch trotz des möglichen Zusammenbruchs seiner Welt funktionieren und agieren, da es neben der Beerdigung unzählige Dinge zu erledigen gilt. Daher werden in dieser Phase durch eigene und fremde Aktivitäten die Emotionen kontrolliert, um einen möglichen Zusammenbruch zu verhindern und notwendige Dinge erledigen zu können.

Der betroffene Mensch versucht selbst, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten, und er wird dabei von Angehörigen und Freunden aktiv unterstützt. Der Trauernde soll so entlastet werden, damit er die eigenen Kräfte zur Selbstkontrolle aufbringen kann. Die starke emotionale Selbstkontrolle in Verbindung mit den geschäftigen und hektischen Tagen kurz nach einem Todesfall erzeugt beim trauernden Menschen allerdings eine gewisse Distanz, als zöge ein Film an ihm vorüber, an dem er nicht beteiligt ist. In dieser Phase der Kontrolle stellt sich oft ein Gefühl der Leere ein, da man die Emotionen ja zurück gestellt hat und deshalb nichts so richtig spüren kann. Die kontrollierte Phase endet meistens nach der hektischen Zeit bis zur Beerdigung, wenn Verwandte und Freunde wieder abgereist sind.

Die Phase der Regression

Der Alltag ohne den Verstorbenen setzt ein, und die intensive Hilfe und Unterstützung der ersten Tage sind nicht mehr in diesem Umfang vorhanden. Nun wird der Trauernde mit aller Macht mit dem Alltag ohne den verlorenen Menschen konfrontiert, er zieht sich von der Welt zurück, verspürt eine Fülle unterschiedlicher Emotionen und fühlt sich ob des Zusammenbruchs seiner Welt oft hilflos und gelähmt.

Hilfsangebote und Aufmunterungsversuche von Freunden und Angehörigen werden zwar einerseits gewünscht, andererseits aber doch oft abgelehnt, weil sie zum Teil als sinnlos oder als zu anstrengend empfunden werden. In dieser Phase fühlt sich der Trauernde weder der Welt der Lebenden so richtig zugehörig noch der untergegangenen Welt mit dem Verstorbenen, von dem er sich noch nicht gelöst hat; er versinkt in Hilflosigkeit, Depression und Verzweiflung und verspürt ein Gefühl der Unwirklichkeit.

In dieser Phase werden die trauernden Menschen oft von Schlaflosigkeit geplagt, die eine permanente Müdigkeit und Mattigkeit zur Folge hat. Auch Appetitlosigkeit und ein Mangel an Antriebskraft stellen sich ein, oft ist allein das Anziehen ein schwerer und anstrengender, irgendwie sinnloser  Schritt. Zur inneren und äußeren Entlastung greifen etliche Menschen dann zu Hilfsmitteln wie Tabletten, Drogen oder Alkohol, was zu einem echten Problem werden kann, wenn dies zu häufig oder zu lange geschieht.

Die Phase der Adaption

Langsame Rückkehr ins Leben und neue Beziehungsfähigkeit. Der Trauernde versucht, langsam wieder in sein altes Leben zurückzukommen, aber der Verlust wird immer im Herzen bleiben. Doch der Trauernde kann sich nicht ewig zurückziehen.

Die Trauerbewältigung läuft in dieser Phase keineswegs kontinuierlich ab: Kurzzeitige Rückschritte in vorherige Stadien des Trauerprozesses sind möglich. Dabei kann die ganze Schwere der Trauer wieder da sein, doch klingen die Abschnitte meist schneller ab.

Das Modell der Trauerphasen stammt aus den 1970er Jahren und wird deshalb immer wieder kritisch überprüft, da es bisher als Basis für Therapie und Trauerbegleitung gegolten hat, aber neue Erkenntnisse natürlich einbezogen werden sollten. Jetzt, vierzig Jahre später, hat sich auch die Psychologie weiter entwickelt und versucht immer mehr, ihre Modelle auf der Basis wissenschaftlicher Standards zu entwickeln, die empirisch überprüfbar sind – in früherer Zeit hat man Modelle oft auf der Basis von anekdotischen Fallstudien und Beobachtungen sowie Hypothesen entwickelt. Daher geraten auch die Trauerphasen immer mehr ins Visier kritischer Experten.

Empirische Nachweisbarkeit

Obwohl sich die Modelle der Trauerphasen nicht als statisch verstehen, gehen sie doch alle davon aus, dass diese Stadien im Trauerfall von allen Menschen durchlaufen werden müssen. Das Modell nach Verena Kast basiert auf dem Prozess des Sterbens, welches von Elisabeth Kübler-Ross entwickelt und dann auf den Trauerprozess übertragen wurde.

Beide Modelle – das von Verena Kast und Yorick Spiegel -  sind jedoch empirisch wenig untermauert, und neuere Forschungen bestätigen, dass in der Praxis die Trauerphasen zwar manchmal auftreten, dass aber die meisten Menschen auf ihre individuelle Weise mit Trauer umgehen. Daher ist nicht zwingend davon auszugehen, dass die Trauerphasen – auch wenn sie nicht als linear verstanden werden – so durchlaufen werden müssen. Und auf keinen Fall sollte man aus einer anderen, unerwarteten Reaktion schließen, dass der Mensch nicht auf seine Weise erfolgreich mit seiner Trauer umgeht, auch wenn er womöglich sichtbar keine dieser Phasen durchläuft, so die neuesten Forschungsergebnisse.

Druck und Erwartungshaltung

Ein Punkt, der sowohl von Betroffenen als auch von begleitenden Experten an dem Modell der Trauerphasen kritisiert wird, ist die Erwartungshaltung, die es sowohl im persönlichen Umfeld als auch bei trauerbegleitenden Personen erzeugt. Wenn der Trauernde nicht die erwarteten Reaktionen zeigt, einen anderen Rhythmus hat oder manche Phasen bei ihm gar nicht aufzutauchen scheinen, so wird dem Trauernden oft unterstellt, er verleugne und verdränge seine Gefühle und würde keine echte Trauerarbeit leisten. Sehr schnell wird er dann als behandlungsbedürftig oder gar krank abgestempelt.

Dieser Druck führt dann dazu, dass sich der Trauernde unverstanden fühlt oder aber Reaktionen vortäuschen muss, die er gar nicht empfindet. So fühlt er sich in einer schweren Phase allein gelassen und in den so wichtigen Beziehungen zu anderen nahestehenden Menschen gestört.

Das Konzept des Loslassens

Immer wieder taucht im Zusammenhang mit den Trauerphasen auch die Forderung an den Trauernden auf, dass er los lassen müsse, um die Trauer zu bewältigen; alle emotionalen Bindungen zum Verstorbenen müssten vollständig gelöst werden. Das empfinden aber viele Trauernde als exakt das Gegenteil von dem, was sie innerlich verspüren – sie möchten ihre Liebe zu dem Verstorbenen nicht loslassen, sondern sie im Herzen bewahren und eine neue, andere Beziehung zu ihm aufbauen. Manche Experten empfehlen deshalb, die sogenannte Trauerarbeit besser Beziehungsarbeit zu nennen, da es eben nicht darum geht, etwas endgültig los zu lassen, sondern eine neue, integrierte Beziehung zum Verstorbenen auf zubauen.

Das Konzept der Trauerarbeit

Seit Sigmund Freud hat sich das Konzept der Trauerarbeit im professionellen Bereich wie auch im Bereich der Allgemeinheit gehalten, welches sowohl in der allgemeinen Öffentlichkeit als auch in Fachkreisen als gültig angesehen wird. Aber auch dieses Konzept der „Trauerarbeit“, mit dem auch die Trauerphasen arbeiten, ist empirisch nicht belegt; im Gegenteil, Trauer ist ein natürlicher Prozess, der auch ohne „Arbeit“ abläuft. Auch andere Emotionen als die Trauer muss man nicht durch Arbeit bewältigen, sondern der Mensch ist mit natürlichen Mechanismen zu ihrer Bewältigung ausgestattet. Eine Krise weckt die Widerstandskraft und Heilungskräfte, die natürlicherweise im Menschen schlummern, so dass zusätzliche „Arbeit“ nicht notwendig ist.

Als derzeit führender Experte im Bereich der wissenschaftlich basierten Trauerforschung gilt der klinische Psychologe Professor George Bonanno . Er widmet sich seit mehr als zwanzig Jahren der systematischen Erforschung des Trauerns, wobei er ausschließlich wissenschaftliche Methoden einsetzt und auf anekdotische Erkenntnisse oder reine Hypothesen verzichtet. Die Erkenntnisse seiner jahrzehntelangen Forschung werfen das bisherige Verständnis und das Modell der Trauerphasen über den Haufen. Die Erkenntnisse stellt er in seinem Buch „Die andere Seite der Trauer: Verlustschmerz und Trauma aus eigener Kraft überwinden“, 1. Auflage Januar 2012, vor.

Manche brauchen nur ein paar Monate dafür, den Verlust zu bewältigen, andere Jahre. Einigen Menschen helfen Grabbesuche oder Gebete; manche machen alles mit sich allein aus, vielen helfen Gespräche. "Wichtig ist allein, dass die Hinterbliebenen den Blick dabei nach innen richten, den Verlust akzeptieren, ihre Beziehung zum Verstorbenen verändern und dadurch wieder nach vorne schauen können", sagt Rita Rosner , Trauerforscherin und Psychologin an der Katholischen Universität Eichstätt.

Tatsächlich geht es bei der Trauer nicht darum, etwas hinter sich zu lassen oder abzulegen wie einst die schwarze Kleidung nach dem Trauerjahr. Als Prozess dient sie dazu, den Schmerz zu verarbeiten. Das kann schneller gehen oder mag auch langsamer gelingen. "Die Zeit ist kein Kriterium", sagt der Berner Psychologe Hansjörg Znoj . "Und jeder trauert anders."

Quelle: www.zeit.de

Der zentrale Punkt seiner Erkenntnisse aus seinen Studien und Forschungsprojekten ist die Erkenntnis, dass die meisten Menschen auch bei Trauer oder einem Trauma sogenannte psychologische Resilienz besitzen. Darunter versteht man die Fähigkeit des Menschen, mit einem stressigen Ereignis aus eigener Kraft gut umgehen zu können, so dass die psychische Gesundheit recht schnell auf dem Niveau vor dem Ereignis wieder hergestellt ist. Ein Trauerfall weckt diese natürliche Widerstandskraft im Menschen und lässt ihn Stärken entdecken, die er nicht in sich vermutet hätte.

Entweder erlangt der Mensch den Status Quo vor dem Ereignis wieder, oder aber das Ereignis zeigt bei ihm zumindest keine negativen Effekte. Es kann sogar sein, dass ein resilienter Mensch nach einem negativen Erlebnis gestärkt aus der Krise hervor geht. Denn der Mensch ist seit alters her daran gewöhnt, mit Verlusten jeglicher Art umgehen zu müssen und hat daher Mechanismen entwickelt, dies in effizienter Weise zu tun. So wird der totale Zusammenbruch verhindert, und der Mensch kann schnellstmöglich wieder ein konstruktives Leben führen.

Die Studien von Professor Bonanno wurden unter anderem mit Menschen durchgeführt, die in so traumatischen Erlebnissen wie einem Tsunami oder dem Anschlag auf das World Trade Center selbst dabei waren oder dabei einen geliebten Menschen verloren haben. Selbst unter diesen extremen Bedingungen griffen die Selbstheilungskräfte der resilienten Menschen, die ohne professionelle Unterstützung ihre bisherige psychische Gesundheit binnen manchmal erstaunlich kurzer Zeit zurück gewonnen haben.

Laut seinen Ergebnissen können also die meisten Menschen diese stressigen Erlebnisse wie ein Trauma oder den Verlust eines geliebten Menschen sehr gut ohne professionelle Hilfe bewältigen, diese ist nur in Einzelfällen notwendig. Im Gegenteil, es hat sich heraus gestellt, dass eine Trauerbegleitung oder eine Therapie sogar Schaden anrichten können, weil sie den natürlichen Heilungsprozess der Resilienz stören und es den Menschen erschweren, mit dem Verlust oder dem Trauma fertig zu werden. Die eigenen Ressourcen, das soziale Netzwerk und die Motivation, sein Leben erfüllt weiter zu leben, ermöglichen es resilienten Menschen am besten ohne professionelle Hilfe, mit dem Verlust des Menschen fertig zu werden.

Die Forschungen von Bonanno haben auch ergeben, dass Trauer und Schmerz nicht in den bisher angenommenen Phasen auftreten, sondern dass sie vielmehr in Wellen kommen, die mit der Zeit immer kürzer und weniger intensiv werden. Natürlich empfindet auch ein resilienter Mensch Traurigkeit, Wut oder Einsamkeit, aber da alle Gefühle kurzfristig angelegt sind, wechseln sich die negativen Gefühle immer wieder mit positiven Gefühlen ab, selbst wenn zu Beginn die Momente der Freude oder des Lachens sehr kurz sind.

So pendelt der trauernde Mensch hin und her – Sehnsucht, Kummer, Leere und Schmerz sind verlustbezogene Prozesse, Ablenkung, kurzfristige Verdrängung, vorwärtsgerichtetes Denken und Momente der Freude sind regenerative Prozesse. Wer also kurz nach einem Todesfall auch schon einmal wieder herzlich lachen kann, ist nicht krank oder verdrängt seine Trauer, sondern er nutzt die gesunden Mechanismen seiner Psyche, die ihm durch das Lachen eine Pause vom Schmerz gönnen.

Bei der Bewältigung der Trauer wechseln sich daher ganz natürlich Momente des Schmerzes und der Trauer mit denen der tröstenden Erinnerungen, der Freude und sogar des Lachens ab; diese positiven Gefühle sind heilsame Elemente der Trauerbewältigung. Auch die Abwesenheit von intensiver Trauer – selbst wenn eine sehr enge und innige Bindung bestanden hatte - ist kein Zeichen dafür, dass ein Mensch nicht gesund mit dem Verlust umgeht, sondern einfach ein Zeichen dafür, dass seine Psyche in der Lage ist, gut für Stabilität und geistige Gesundheit zu sorgen. Dies steht in völligem Gegensatz zur herrschenden Meinung, dass ein Mensch seine Trauer bloß verdrängen würde, wenn er die erwarteten schmerzlichen Gefühle nicht so intensiv hat oder nicht zum Ausdruck bringt.

Nur bei einer Minderheit von Menschen wird die Trauer chronisch und kommt nicht in Wellen, sondern scheint konstant zu sein. Die Gefühlslage ändert sich auch nach Monaten nicht signifikant, und sie sehen keinen Weg, wie sie aus dieser Hilflosigkeit des Schmerzes allein heraus finden sollen. In solchen Fällen kann professionelle Hilfe angesagt sein, aber das kann man frühestens nach einem halben Jahr sagen, vorher kann alles noch die ganz normale individuelle Trauerbewältigung sein, so die Ergebnisse der Studien.

Trauerphasen

Bisher war das Ziel der Trauerarbeit, die Beziehung zu dem verstorbenen Menschen abzubrechen und ganz von ihm los zu lassen. Nur so, so glaubte man gemäß Freuds Hypothese, sei echte Bewältigung der Trauer möglich. Die Forschungsergebnisse von Professor Bonanno haben jedoch etwas Gegenteiliges ergeben. Sehr viele Menschen führen innerlich die Beziehung mit dem verstorbenen Menschen fort, nur auf andere Weise. Sie spüren ab und an seine Präsenz, sie reden innerlich oder gar laut mit ihm und empfinden seine verinnerlichte Gegenwart als Trost und Hilfe, nicht als Blockade, die sie am Fortschreiten hindert. Denn trotz dieser fort gesetzten Beziehung sind sie sehr wohl in der Lage, sich auf eine neue Beziehung mit einem anderen lebendigen Partner einzulassen, wenn sie wieder dazu bereit sind.

Allerdings baut sich diese neue Bindung erst im Lauf der Zeit auf, zu Beginn sind die Erinnerungen an den Verstorbenen oft eher schmerzlich, da man sich auf den Verlust konzentriert und den Trost in schönen Erinnerungen noch nicht sehen kann. Auch bedeutet das Erinnern nicht, dass man zum Beispiel an den Habseligkeiten des Verstorbenen fest hält, sondern an dem, was der verstorbene Mensch einem gegeben hat und wovon man noch immer zehren kann. Dann aber ist die fort gesetzte Bindung an den verstorbenen Menschen für viele eine sehr große Hilfe – sie sprechen mit ihm oder ihr, sie glauben sie kurzfristig zu sehen, oder sie spüren die Verstorbenen einfach als spürbare Präsenz, die ihnen Trost und Hilfe bringt.

Menschen, die resilient und anpassungsfähig sind, sind auch in der Lage, je nach der Situation ihre Gefühle der Trauer auch einmal zurück zu stellen oder zu unterdrücken. Denn wenn man sein Leben trotz des Verlustes konstruktiv weiter leben will, gibt es Situationen, in denen man den Fokus nach außen und nicht auf seinen Verlustschmerz richten muss: Die Kinder brauchen ihr Elternteil, die Arbeit muss erledigt werden, Alltagsdinge sind zu organisieren. In diesen Situationen ist es nicht hilfreich, sich von seinen Trauergefühlen überwältigen zu lassen, sondern es ist sinnvoller, diese Gefühle kurzfristig zu ignorieren und zurück zu stellen.

Die Forschungsergebnisse machen vielen Menschen Mut, sich ihrer eigenen Art der Trauer zu stellen und sie auf ihre Weise zu bewältigen. Es macht Mut, wenn man weiß, dass man normalerweise aus eigener Kraft mit so einem schmerzlichen Verlust fertig werden kann, und es macht Mut, dass man auch in Zeiten der Trauer die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle empfinden darf, ja sogar soll. Man muss sich nicht einem theoretischen Modell anpassen, welches die Wirklichkeit leider nicht abbildet, sondern darf seine persönliche Menschlichkeit so ausleben, wie die eigene Natur es vorgesehen hat. Deshalb leistet die Trauerforschung sicher einen sehr wertvollen Beitrag dazu, Menschen in ihrer Trauer zu helfen, indem sie alte Zöpfe abschneidet und mit Mythen aufräumt, die bisher eine zusätzliche Belastung dar gestellt haben und die Bewältigung der Trauer nur erschwert haben.

Oliver Schmid Oliver Schmid ( Google+ / Xing / LinkedIn )

Mein Name ist Oliver Schmid, ich lebe in Friedrichshafen am Bodensee und bin Gründer von Trauerphasen.de. Seit Januar 2009 bin ich Internet-Unternehmer, engagiere mich ehrenamtlich für den Bundesverband verwaiste Eltern in Deutschland e.V. (VEID) und bin Gründer von Gedenkseiten.de . Mehr erfahren...

Weblinks:

Quellen:



© 2017 Trauerphasen.de | Impressum